Ein Forschungsplan klärt, welche grundlegenden Forschungsfragen beantwortet werden sollen (Forschungsfrage), welche Daten hierzu notwendig sind, wie diese Daten erhoben werden (Erhebungsmethode) und wer untersucht wird (Stichprobe).
Mit der Erarbeitung eines Forschungsplans wollen wir ein Vorgehen definieren, um die Forschungsfragen möglichst effizient und glaubwürdig zu beantworten. Dabei lassen wir uns von den bisherigen Annahmen leiten, begegnen aber der Forschungsthematik mit größtmöglicher Offenheit.
Im bisherigen Verlauf des Vorgehensmodells wurden durch die Artefakte Proto-Problem Statement, Proto-Personas, Proto-Journeys und Annahmen-Map (oft zahlreiche) Annahmen zur Problemstellung gesammelt. Das Ziel ist nun, deren Validierung zu planen.
Ein Forschungsplan besteht aus den folgenden Elementen.
Die ausgewählten Annahmen der Annahmen-Map sollen nun so gruppiert werden, dass sie mit einer Forschungsfrage beantwortet werden können.
Stellen wir uns eine Servicetechnikerin bzw. ein Servicetechniker einer Kaffeemaschine vor. Es gibt verschiedene Annahmen:
Beide Annahmen, lassen sich mit der folgenden Forschungsfrage überprüfen: “Wie ist der Arbeitskontext vor Ort bei den Kaffeemaschinen der Kunden für die Arbeitsaufgaben eines Servicetechnikers geeignet?”.
Forschungsfragen sind so formuliert, dass sie die projektspezifischen Fragestellungen adressieren, eine Auswahl der passenden Methoden erlauben und allenfalls auch mehrere Annahmen überprüft werden können. Forschungsfragen sind also generischer als Interviewfragen.
Um eine Forschungsfrage zu beantworten, müssen in der Regel mehrere Interviewfragen abgeleitet werden - d.h. die Fragestellung wird operationalisiert. Aus der Frage nach dem Arbeitskontext des Servicetechnikers würden wir mehrere Interviewfragen herleiten:
“Wo steht ihre Kaffeemaschine? Wie sieht es dort aus? Wie sind die Lichtverhältnisse? Gibt es eine Abstellfläche, die genutzt werden kann? Kommt man hinter die Kaffeemaschine? Ist die Kaffeemaschine befestigt oder lässt sie sich bewegen?”.
Für jede Forschungsfrage wird nun überlegt, mit welcher Erhebungsmethode sich die Frage am besten und effizientesten beantworten lässt. In der Nutzerforschung kommen typischerweise unterschiedliche Erhebungsmethoden wie Interviews, Contextual Inquiries, Tagebücher oder auch Fragebögen zur Anwendung. Damit die richtige Methode ausgewählt werden kann, wollen wir ein paar Vor- und Nachteile gegenüberstellen.
Interviews
Interviews sind in der Regel sehr einfach und vergleichbar günstig durchzuführen. Der größte Nachteil besteht darin, dass wir nur das erfahren, was sich die interviewte Person erinnern kann und was sie für relevant hält oder uns mitteilen möchte.
Contextual Inquiries
Contextual Inquiries stellen eine Mischform zwischen Beobachtungen und Interviews dar und finden im jeweiligen Kontext der befragten Person statt. Sie sind aufwändiger als Interviews, aber typischerweise auch viel aufschlussreicher, da wir nicht mehr nur davon abhängig sind, was die interviewte Person äussert. Beobachtungen setzen aber voraus, dass sich Abläufe nicht zu lange hinziehen und vorhersagbar ist, ob der zu beobachtenden Ablauf auch auftritt.
Tagebücher
Bei Tagebüchern beobachten sich die “Nutzenden” quasi selber. Direkt nachdem ein bestimmtes Ereignis eingetroffen ist, beantworten sie eine Reihe von Interviewfragen. Damit können auch sehr langfristige Prozesse, seltene Ereignisse wie Fehlerfälle oder nicht vorhersagbare, sporadische Anwendungen wie beispielsweise Interaktionen in einem Intranet dokumentiert werden. Jedoch sind wir auf die Beobachtungsgabe der jeweiligen Personen angewiesen. Nicht alle haben auch die Fähigkeit, das Beobachtete adäquat zu beschreiben.
Datenanalyse
Daneben gibt es weitere Methoden, um Fragen zu beantworten wie die Analyse von Datenbanken oder die Auswertung von Analytics Informationen. Sie sind letztlich auch eine Form von Beobachtung. Der grösste Nachteil dieser Daten liegt darin, dass wir nicht wissen, was die jeweilige Absicht der Nutzenden war. Daher lassen sich die Daten nur sehr schwer interpretieren.
In unserem Beispiel mit der Kaffeemaschine wollen wir ein paar Servicetechniker begleiten und dabei ein Contextual Inquiry durchführen. Um die Durchführung einer Wartung durch normale Kaffeetrinker zu beobachten, führen wir ebenfalls Beobachtungen im jeweiligen Kontext durch, wobei wir die Wartung durchführen lassen, obwohl sie vielleicht gar nicht anstehen würde.
Nachdem die Erhebnungsmethode festgelegt ist, müssen wir uns überlegen, wen wir befragen oder beobachten wollen. Das Vorgehen zur Bestimmung einer Stichprobe hängt davon ab, ob es sich um eine qualitative oder eine quantitative Untersuchung handelt.
Bei qualitativen Untersuchungen sind Stichprobengrößen von 4-8 Nutzer:innen für jede untersuchte Nutzergruppe typisch.
Vorgehen zur Wahl der Stichprobe
Um geeignete Nutzende auszuwählen, gehen wir wie folgt vor:
Zunächst versuchen wir, für jede angenommene Nutzergruppe möglichst typische und einander ähnliche User/Personen auszuwählen. Wir nennen dies das Prinzip der größten Ähnlichkeit. Anschließend binden wir bewusst davon unterschiedliche Nutzende ein. Das ist das Prinzip der größten Unterschiedlichkeit.
In der Praxis bauen wir gerne auf flexiblen Stichprobenumfängen auf, deren Ausweitung wir dynamisch von einem weiteren Zugewinn von Erkenntnissen abhängig machen: Wir fügen keine weiteren Interviews oder Beobachtungen hinzu, wenn lediglich wenige neue, inhaltlich kaum mehr relevante Einsichten resultieren.
Erläuterung anhand unseres Beispiels
Für die Auswahl der zu beobachtenden Personen für die Wartung von Kaffeemaschinen greifen wir auf die Proto-Personas zurück. Wir entscheiden uns für je 8 Beobachten von Servicetechniker. Dabei wollen wir vier unterschiedliche Servicetechniker bei jeweils zwei Besuchen beobachten. Wir entscheiden uns, zwei durchschnittlich lange beschäftigte Servicetechniker, einer der erst seit kurzem beschäftigt ist und einer der sehr lange schon als Servicetechniker tätig ist, zu beobachten. In unserem Beispiel kann zudem der Kontext - also die Umstände wie es bei der Kaffeemaschine aussieht - stark varieren. Wir wollen daher möglichst unterschiedliche Orte betrachten. D.h. wir beobachten nicht mehrere Wartungen an einem Ort, sondern Wartungen an möglichst unterschiedlichen Orten.
Für die Beobachtung der zweiten Proto-Persona, also die Wartung, welche Kaffeekonsumenten selber durchführen, wollen wir mal mit vier Beobachtungen starten. Ob weitere notwendig sind, wollen wir davon abhängig machen, wie viel neue Erkenntnisse wir noch gewinnen.
Es ist uns bewusst, dass wir je nach Beobachtungen allenfalls auch eine quantitiatve Studie hinzufügen müssen. So kann es notwendig sein, herauszufinden, wie oft bestimmte Umstände wirklich vorkommen.
Eine Forschungsplanung wird wie folgt entwickelt.
Nachfolgend ein paar Hinweise für die Bestimmung geeigneter Samples.
Zunächst versuchen wir, für jede angenommene Nutzergruppe möglichst typische und einander ähnliche User/Personen auszuwählen (Prinzip der größten Ähnlichkeit). Anschließend binden wir bewusst davon unterschiedliche Nutzende ein (Prinzip der größten Unterschiedlichkeit).
In der Praxis bauen wir gerne auf flexiblen Stichprobenumfängen auf, deren Ausweitung wir dynamisch von einem weiteren Zugewinn von Erkenntnissen abhängig machen: Wir fügen keine weiteren Interviews hinzu, wenn lediglich wenige neue, inhaltlich kaum mehr relevante Einsichten resultieren.
Um den Umfang der Samples zu verringern, können wir auf eine geschichtete oder stratifizierte Stichprobe zurückgreifen. Hierbei wird eine Stichprobe in homogene Untergruppen aufgeteilt, die dann gruppiert werden.